So ... ich habe das Stück nun gesehen - zweimal direkt hintereinander - und ich bin restlos hin und weg!
Ich hatte mich vorbereitet und kannte das Stück daher und musste mich nicht darauf konzentrieren alles zu verstehen, sondern konnte genießen, was ich sehe.
Die Besetzung war toll.
Mir hat eigentlich jeder der Charaktere gefallen. Sie waren sowohl optisch, als auch vom Spiel her einfach großartig besetzt.
Sehr lustig aufgefallen ist mir (durch die Lichtkegel, die auf die Bühne fielen), dass fast alle Darsteller (mit Ausnahme der Königin und ihren Damen), also auch die alten Ladies etc. eine mächtig feuchte Aussprache hatten! Es waren dermaßen viele Spuckenebel, dass man sich zwangsläufig fragte, ob das so sein MUSS
Es waren auch an anderen Stellen Lacher angebracht, weil viele Szenen einfach komisch sind, bzw. komisch in Szene gesetzt worden waren.
So werden in der Szene in der sich die Männer um Bolingbroke streiten so oft Fehdehandschuhe geworfen, dass zum einen irgendwann einem der Männer die Handschuhe ausgehen und er hektisch bei einem der anderen umstehenden Männer nach einem weiteren sucht, damit er ihn werfen kann und dass zum anderen Bolingbroke irgendwann mit der Hand vor den Augen daneben steht und mega genervt ist
Außerdem ist auch die Szene in der Herzog von York und seine Frau um das Leben ihres Sohnes betteln äußerst lustig gemacht - vor allem durch die Mutter.
Der Mann, der uns vor dem Stück bei unserem Rundgang durch das Theater geführt hatte, hat irgendwann gesagt, dass er wisse, dass Richard II in dem Stück kein netter Mann ist, aber dass er sich nicht helfen könne und ihn einfach sympathisch findet - wobei er die starke Vermutung habe (mit einem Zwinkern), dass es daran liegen könne, dass er von David Tennant gespielt wird.
Und hier sind wir dann beim Haupt-Charakter ... ich suche immer noch nach den richtigen Worten für das, was ich da gesehen habe - sowohl in Bezug auf den rein optischen Faktor, als auch auf das Spiel.
Tennant war unglaublich gut.
Ich bin Tennant-Fan - klar - man gönne mir meine Voreingenommenheit, ABER ich war trotz aller Begeisterung nie der Meinung, dass er ein im üblichen Sinne "schöner Mann" ist - das ist in diesem Stück anders ... ich habe, auch wenn es kitschig klingt, noch nie ein so schönes Wesen live gesehen. Die Bilder von dem Stück, die überall kursieren werden dem in keinster Weise gerecht, was man zu sehen bekommt, wenn er sich in dem Stück auf der Bühne bewegt.
Seine Stimme ist nicht "königlich", er spricht, wie man es von ihm kennt, oft sehr hoch und benutzt seine typischen Eigenarten beim Sprechen. Und trotzdem füllt er die Rolle perfekt aus. Er ist größer als alle anderen und er ist, durch seinen Körper und die Kleidung die er trägt, in manchen Szenen nur halb so "breit" wie z.B. Bolingbroke und seine Mannen, die natürlich meist in Leder und Kettenhemd auftreten. Die langen Haare ziehen ihn optisch irgendwie noch ein Stück länger und die Krone gehört dermaßen zu diesem perfekten Bild hinzu, dass es jedes Mal regelrecht anrührt, wenn er sie mal ab nimmt.
"Anrühren" ist generell ein Stichwort. Tennant ist auch in dieser Rolle hemmungslos und sein Körpereinsatz ist in jeder Sekunde 100% aufmerksam und präsent. Während alle anderen über die Bühne gehen, "schreitet" er - ohne dass es je künstlich aussieht. Er handhabt seine langen Haare, als habe er nie kurze gehabt und die Selbstverständlichkeit mit der er sich entkleiden und bekleiden lässt - die Nebensächlichkeit mit der das geschieht - lässt es so wirken, als sei DT selber so aufgewachsen. Er wirkt gleichzeitig überaus erhaben und doch auch völlig verletzlich.
Der Wandel den er dann durchmacht, wenn er begreift, dass er geschlagen ist, er die Krone abgeben muss und gefangen genommen wird tut einem beim Zuschauen weh. Tennant kann sich auf der Bühne trotz wallender Gewänder in einen so kleinen Ball zusammen"klappen" dass er vermutlich in einen Koffer zum Mitnehmen passen würde (ein Gedanke, den wir äußerst tempting fanden
)
Faszinierend ist auch, dass er eigentlich so sehr mit sich selber beschäftigt ist, mit seiner Selbstverliebtheit und seinem ständigen Nach-Innen-Gerichtet-Sein, dass das in vielen Szene diese immer mal wieder zum Stillstand bringt. Er spricht mit irgendwem über sehr Wichtiges, und plötzlich erblickt er sein Spiegelbild, so dass dies erst einmal betrachtet werden muss.
Die Szene in der er bei der Übergabe der Krone verzweifelt ausruft, dass er nicht mehr weiß, wer er ist, wenn er nicht König ist, bricht einem das Herz ... auch hier wieder voller Körpereinsatz und das komplette Schauspielerische Talent von Tennant ...
Merkt man, dass ich begeistert war - bin? Fällt kaum auf, oder?
Sobald die DVD raus ist (was wohl im Februar passieren soll), werde ich mir das Stück sofort wieder ansehen - und ganz sicher nicht nur einmal ...