muss meinen letzten post ein kleinwenig revidieren ... habe vorgestern im globe eine traditionelle inszenierung in historischen kostümen gesehen und bin hemmungslos begeistert. allerdings gabs auch keine pluderhosen - das mag zu dem ganzheitlichen erlebnis beigetragen haben.
doctor faustus ist ein stück des shakespeare-konkurrenten marlowe und eine der quellen, aus der auch goethe mit seinem faust geschöpft hat. (meinesachtens positiver weise) fehlt die leidige gretchengeschichte, andererseits büßt die gesamthandlung dadurch an tiefe ein, da es als ausgleich nur komödiantische zwischeneinlagen fürs fußvolk gibt. auch fehlt marlowe der hintergründige wortwitz, mit dem shakespeare so oft glänzt.
aber genug gemeckert, denn die inzenierung ist ansonsten traumhaft und vieler beziehung erinnerungswürdiger als "much ado about nothing". nicht nur wegen des historischen theaterumfeldes des globe-gebäudes - auch das spielen dort folgt anderen regeln. im gegensatz zu westend-stücken werden die schauspieler bewusst dazu angehalten, kontakt mit dem publikum zu machen. sie stellen direkten augenkontakt her, interagieren in ihren rollen mit den zuschauern ("ah, was wünsch ich mir eine frau heute abend" *blick in die vordere reihe* *zwinker*), treten z.t. übers publikum auf die bühne und werfen requisiten in die menge, die ggf. auch zurück auf der bühne landen (aufblasbarer ballon on schlossform *lol*).
auch wetter und missgeschicke werden schulterzuckend hingenommen (faustus hat z.b. vorgestern die kerze zur dämonenbeschwörung nicht angezündet bekommen) - was die atmosphäre eines lockeren marktspektakels vermittelt, das die theateraufführungen des 17. jh. ja waren.
man verwendet so gut wie keine requisiten, die nicht auch vor 400 jahren da gewesen wären, es gibt fast keine lichteffekte. statt dessen spielen musikanten auf dem balkon und liebevoll in handarbeit zusammengezimmerte requisiten und textilien glänzen und werden geschickt auf der bühne aufgebaut (eine handvoll menschen baut aus sich selbst eine griechische götterfigur mit maske).
auch die dämonenbeschwörung fausts war sehr imposant umgesetzt, da ein knapp 3 meter großer ziegenschädel die erste manifestatation des mephistopheles ist. erst auf fausts geheiß, sich eine gefälligere, weniger beängstigende visage zuzulegen, tritt "rory" auf die bühne (ja, ungewollt komisch, aber imho ein schenkelklopfer).
arthur darvills job besteht über weite teile des stückes vor allem darin, leicht angefressen und frustiert im hintergrund zu stehen und auf geheiß seine magie walten zu lassen. in wiefern sich das von seiner rolle in dw unterscheidet? er strahlt dauerhaft eine unterschwellige feindseligkeit aus und die ausbrüche seines ärgers an gebotener stelle wirken umso brachialer. insgesamt war sein part im gegensatz zu faustus aber schwächer gespielt, was aber wohl weniger an seinen schauspielerischen, als stimmlichen fähigkeiten liegt - das globe hat keine mikros und darvills stimme ist nicht so tief und sonor, als dass sie das rondell allein mit sich selbst beherrschen kann. nichtsdestotrotz überzeugende performance - vor allem das lautenspiel - das der mann richtig drauf hat!
optische eindrücke vom stück
HIER und
Video HIERwer aus bestimmten gründen demnächst in london weilen sollte: ANSEHEN!falls keine sitzplätze mehr verfügbar sind oder finanziell gehaushaltet werden muss: auch die stehplätze für 5 pfund lohnen sich. ja, es ist anstrengend, aber wer sich rechts von der bühne nahe der rampe platziert, kriegt mephistopheles zum anfassen, da darvill zweil mal durch das publikum die bühne betritt.