Hmm ...
Gottkomplex?
Ja, den sehe ich durchaus irgendwie. Sowohl beim Charakter "Ten", als auch in der Schreibe der Autoren.
Mit Gegenargumenten kann ich trotzdem nicht dienen, Satia.
Ich sehe zwar durchaus Ansätze für einen Gott-Komplex, aber ich sehe darin nichts Negatives oder Kritikwürdiges.
Meiner Ansicht nach liegt dieser "göttliche Touch" in der Anlage des Charakters begründet. So, wie ich es sehe, ist der Doctor als eine Art "klassischer Held" angelegt.
Über den Hintergrund der Autoren weiß ich zu wenig, um das definitiv sagen zu können, aber viele der Stories lassen durchaus den Schluss zu, dass sie ihr Handwerk verstehen. Tennants klassischer Theaterausbildung dürfte es zu verdanken sein, dass er das Konzept des klassischen Helden kennt und ihn auch in dem Charakter erkennt und umsetzt.
Der klassische Held darf ruhig einen Gott-Komplex haben, ist er doch im griechischen Ursprung dieses Charaktertypus häufig ein Gott, ein Halbgott, der Sohn eines Gottes oder ein Protegé eines Gottes und von diesem mit gottähnlichen Fähigkeiten ausgestattet.
Dabei weiß der Held allerdings immer um die schwere Verantwortung, die er den Menschen (oder der Menschheit) gegenüber trägt und sie ist ihm immer spürbar eine Last.
Er muss Entscheidungen treffen, die kein Mensch treffen könnte, oder wollte und er muss die Konsequenzen, die daraus resultieren, tragen. Er tut Dinge, die nur er tun kann, schlicht weil er die einzige Person ist, die sie aufgrund seiner Fähigkeiten tun kann.
Der klassische Held ist den "normalen" Menschen überlegen, entweder durch Geburt, oder weil er durch eine "höhere Macht" dazu auserkoren wurde. Er setzt sich von den anderen Menschen ab durch seine Einzigartigkeit und die Besonderheit seiner Herkunft/Fähigkeiten/Bestimmung, was ihn wiederum auch einsam macht.
Oft muss der Held sich erst in die Rolle finden, über einen Weg, gepflastert mit Zweifeln, Erkenntnissen, Erlebnissen, Fragen, Widrigkeiten, die ihn letztendlich zu dem Punkt führen, an dem er die Rolle annimmt und in aller Konsequenz, nun ohne Zweifel, ausfüllt (die sogenannte "Heldenreise").
Ok, erkennen wir da jemanden?
In meinen Augen ist der Doctor in vielen Punkten ein solcher Heldentyp. Sogar die Heldenreise sehe ich in Ansätzen in der Entwicklung seit Nine.
Vielleicht erscheint das vielen der Kritiker (von denen ich vermute, dass die meisten Fans der früheren Doctoren sind) deshalb so fremd und "unpassend", weil die früheren Doctoren eben nicht nach diesem Konzept gestrickt waren. Mussten sie auch nicht, aber dazu komme ich noch.
Wo sehe ich die "Heldenreise", mag man fragen.
Sie beginnt IMHO mit dem ersten Auftritt von Nine. Die Situation des Doctors hat sich mit Nine grundlegend geändert, gegenüber den früheren Inkarnationen. Jetzt ist er der letzte Überlebende, der Einzige seiner Art. Der klassische Held ist entstanden und er trägt nun alleine die Verantwortung dafür, dass die Dinge so sind/bleiben, wie sie sein sollen.
Warum ist Nine noch nicht der Held mit dem Gott-Touch?
Hier sehe ich Ansätze für die erwähnte Heldenreise. Der Doctor muss sich erst in die Rolle des gottähnlichen Wesens einfinden, er greift nicht jubelnd nach ihr, sondern muss sich erstmal mit den geänderten Gegebenheiten und der damit verbundenen zusätzlichen Last, die nun auf seinen Schultern ruht, zurechtfinden.
Nine steht vor einer veränderten Situation, in die er erstmal hineinwachsen muss. Er kann noch keinen Gott-Komplex haben, weil er noch nicht der "fertige" Held ist.
Dass Ten ihn gegen Ende der Serie entwickelt, ist einfach nur logisch, weil er Teil der Rolle ist, in die er hineingewachsen ist.
Zwar hatte der Doctor früher auch schon seine, den Menschen weit überlegenen, Fähigkeiten und Technik-Tricks, aber vor Nine war er damit micht Einzigartig. Er musste niemals alleine die Verantwortung tragen. Das unterscheidet Nine und Ten von den früheren Doctoren und macht es für die Fans der früheren Doctoren wahrscheinlich schwer, diesen "neuen" Doctor und seine Entwicklung zum "klassischen Helden incl. Gott-Komplex" zu akzeptieren und zu mögen.
In "Fires of Pompeii" sehe ich den Gott-Komplex allerdings nicht durch den netten Lichteffekt, der ist vielleicht mehr eine optische Untermalung für die Tatsache, dass der Held hier tatsächlich gottähnlich auftreten muss. Und zwar weniger durch die Rettung der einen Familie, sondern vielmehr durch die Entscheidung, die er treffen muss: Pompeii oder die Welt. Übrigens auch ein Merkmal des klassischen Helden, dass er manchmal Entscheidungen gegen seine tiefsten Überzeugungen, für ein größeres Ganzes fällen muss.
Er möchte beide retten, kann er aber nicht, also muss er sich entscheiden. Eine Entscheidung, die ein einfacher Mensch (hier repräsentiert durch Donna) nicht hätte fällen können. Sie unterstützt ihn und macht es ihm emotional vielleicht etwas leichter, aber letztendlich fällt er alleine die Entscheidung und trägt auch alleine die Last der Konsequenz.
Die Familie zu retten ist eine menschliche Entscheidung, dass er Donna dafür braucht, um sie zu treffen, zeigt für den Zuschauer deutlich die Kluft zwischen dem einfachen Menschen und dem Helden. Er hat die größeren Zusammenhänge im Auge, während sie für uns die Verbindung zu den menschlichen Empfindungen herstellt.
Das Schnippsen, um die TARDIS zu öffnen, habe ich nie als "gottgleiche Fähigkeit" angesehen. *stirnrunzel* Wer behauptet denn so einen albenen Unsinn? Ich meine, wer meint denn, man müsse ein Gott sein, um sein eigenes Raumschiff aufzumachen?!?
Ich sehe die Szene genauso, wie Satia. Der Doctor hat erfahren, dass er irgendwann in der Zukunft dazu in der Lage sein wird und probiert es aus, ob es schon geht.
Wenn überhaupt, mag man in die Szene hineininterpretieren, dass er erfahren hat, dass er sich weiterentwickeln wird (was seine Fertigkeiten angeht) und dem Zuschauer dann gezeigt wird, dass er sich tatsächlich weiterentwickelt hat.
Nichts, was ich verwunderlich finde, immerhin purzeln Daleks auch nicht mehr die Treppe hinunter, da wird der Doctor doch auch etwas dazulernen dürfen.
Zitat:
Für mich ist Dr. Who schon immer eine Serie gewesen, die in erster Linie Spaß machen soll
Eine Sicht, der ich mich uneingeschränkt anschließen kann.
Allerdings tut man den meisten Serien/Filmen, die man als "leichte Unterhaltung" klassifiziert, Unrecht, wenn man sagt, dort solle nicht allzuviel hineininterpretiert werden.
Denn was für den Endkonsumenten als leichte Unterhaltung ankommt, basiert meist auf großem Können der Autoren. Damit diese Stories für den Leser/Zuschauer funktionieren, müssen sie grundlegende Dinge in uns ansprechen. Und damit sie das tun, liegen den wirklich guten Serien/Filmen/Büchern meistens klassische Konzepte zugrunde. Die Kunst der Autoren liegt darin, diese klassischen Elemente so gut zu verstecken, dass sie zwar ihre Wirkung entfalten, es uns aber nicht offensichtlich erscheint. So "empfinden" wir zwar den gewünschten Effekt, müssen aber sehr genau nachgucken, um seine Ursache zu finden. Wir fühlen uns angenehm unterhalten, werden aber nicht mit dem Holzhammer darauf gestoßen, dass eine Menge Wissen um die klassischen Elemente des Dramas in die Geschichten einfließen, um die richtigen Saiten in uns zum Klingen zu bringen.
Um auf die Frage im Thread-Titel zu kommen ...
Aus meiner Sicht: wahr.
Aber nicht als Vorwurf an den Charakter, oder als Kritikpunkt an den Autoren, sondern als logische Konsequenz der Anwendung klassischer Elemente bei der Charakteranlage und Charakterinterpretation.
Urgs ... und nun habe ich wieder einmal ohne Ende geschwafelt ...
Verzeiht mir den Ausbruch und schiebt es auf einen Anfall geistiger Umnachtung zu später Stunde.
es verkrümelt sich
Avarra